Am 11. Oktober findet rund um den Globus der „Weltmädchentag“ statt. Anlass genug für die Stadt Brühl, in diesem Jahr erstmals an diesem Tag von 10 bis 19 Uhr auch ein umfangreiches und vielfältiges Programm gezielt für Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 20 Jahren anzubieten. Die Konzeption und Organisation des Events, das vor und im Begegnungszentrum margaretaS, Heinrich-Fetten-Platz, steigt, übernahm Bettina Fruchtmann. Zu ihren vielen Gästen am 11. Oktober gehört auch die Brühler Jungunternehmerin Ann-Kathrin Stockhorst. Wir haben die beiden zum persönlichen Gespräch getroffen.
Während die „Brühler Frauenwoche“ im März bereits auf eine langjährige Tradition zurückblicken kann, wurde der Weltmädchentag bislang vernachlässigt. Wie übrigens in fast allen Kommunen des Rhein-Erft-Kreises auch. Das ändert sich jetzt dank des unermüdlichen Engagements der Brühler Gleichstellungsbeauftragten Antje Cibura, die auch den Bürgermeister von der Notwendigkeit überzeugen konnte.
„Mädchen und junge Frauen sollen an dem Tag die Chance haben, neue Dinge auszuprobieren, sich zu behaupten, Mut und Kraft zu tanken und sich zu positionieren, in einem selbstbestimmten Alltag“, sagte der Bürgermeister Dieter Freytag bei der Vorstellung des Programmes. „Es geht um weibliches Empowerment, und das ist altersunabhängig und kann nicht früh genug beginnen“, ergänzt Antje Cibura, die Frauen stärken will und sich nun erstmalig speziell der jüngeren Zielgruppe zuwendet.
In den letzten sechs Monaten hat Bettina Fruchtmann in ihrem Auftrag ein bemerkenswertes Programm für den Weltmädchentag zusammengestellt, das über 30 Angebote umfasst. „Wir wollen erreichen, dass Mädchen neue Dinge ausprobieren. Wir wollen Impulse geben“, sagt sie. Die 38 Jahre alte Mutter von drei Kindern möchte erreichen, dass Mädchen mit ganz unterschiedlichen Biografien etwas finden, was sie berührt. Und dann sollen sie sich im besten Fall einfach „trauen und machen“.
Genau das hat Ann-Kathrin Stockhorst getan. Die 23-jährige Brühlerin hat in ihrem Studium Swantje Rollersbroich kennengelernt und ab dem zweiten Semester den gleichen Stundenplan wie sie gehabt. Als dann Corona ausbrach und die Vorlesungen nur noch online stattfanden, verfolgten sie diese gemeinsam und lernten auch zusammen. „Das hat viel gebracht und uns diszipliniert“, sagt sie. Zudem teilten sie auch viele Interessen wie auch ihre Liebe zu Haustieren.
„Swantje hat sich einen Hund aus dem Tierheim geholt, ich eine Katze“, erzählt Ann-Kathrin Stockhorst. Ihre Affinität zu den Tieren brachte sie auch auf die Idee für eine gemeinsame Projektarbeit unter dem Titel „Fiktive Firma“ im Fach Marketing. „Uns war aufgefallen, dass Tierfutter häufig von schlechter Qualität ist und viel Müll verursacht. Wir entwickelten ein Konzept, das zu ändern.“ Vereinfacht gesagt ging es bei ihrer Idee darum, ein Tierfutter zu entwickeln, das ähnlich wie eine Tütensuppe zubereitet wird. Der Dozent war begeistert und riet den beiden, es einfach in der Praxis auszuprobieren.
Eigenes Unternehmen gegründet
Im April 2022 gründeten die beiden das Unternehmen „Puripet“ und legten los. Sie fanden Partner, die besondere Rezepte entwickelten. Sie fanden Zulieferer. Sie arbeiteten mit Laboren zusammen. Sie kauften Geräte. Sie brachten ihre drei verschiedenen Tierfutter heraus, die über ihren Onlineshop und einige Händler vertrieben werden. Unterstützt wurden sie immer von ihren Eltern. Auch das Gründerstipendium von 1.000 Euro im Monat war am Anfang sehr hilfreich. Inzwischen ist es ausgelaufen.
Von diesen Erfahrungen werden Ann-Kathrin Stockhorst und Swantje Rollersbroich auf dem Weltmädchentag berichten. „Wir haben beide viel gelernt, wir sind selbstbewusster geworden“, sagt Ann-Kathrin. „Früher hätte ich mich das nicht getraut, ich hätte nie gedacht, dass ich das hinbekomme.“ Genau das ist ihre Botschaft. Sich trauen, machen, eine Idee durchziehen. „Grenzen existieren häufig nur im Kopf“, sagt sie. Aus der schüchternen Studentin ist eine selbstbewusste Macherin geworden.
Junge Frauen wie Ann-Kathrin Stockhorst sollen die Mädchen beim Weltmädchentag inspirieren. Sie berichten aus eigener Erfahrung von ihrem Werdegang, von den Hindernissen, die sie überwinden mussten und den Erfolgen, die sie feiern konnten. Sie werden im Rahmen des Bühnenprogramms zu Wort kommen, das am 11. Oktober um 13 Uhr startet.
Viele Talkrunden und Musik
Zu den weiteren Talkgästen gehören auch u.a. Musikerinnen, Künstlerinnen, eine Filmemacherin, eine Feuerwehrfrau, eine Boxerin oder eine Oberärztin. Sie stehen auch für Rückfragen und kleinere Gesprächsrunden gerne zur Verfügung. Zwischen den Talks gibt es einige auflockernde Musikdarbietungen.
Am Vormittag werden sieben Workshops angeboten. Sie behandeln Themen wie Modern Dance, Gewalt/Mobbing, Anti-Rassismus, Zukunftslabor, Upcycle, Selfie Masterclass und Playground Atelier. Für diese Workshops, die ausschließlich dem weiblichen Geschlecht vorbehalten sind, müssen sich die interessierten Mädchen und Frauen anmelden. Die Anzahl der Teilnehmerinnen ist auf 10 bis 20 begrenzt.
Im Foyer des margaretaS und vor dem Haus präsentieren sich Vereine und Institutionen wie die Initiative Brühl stands with Ukraine, das Frauenforum, die Kunst- und Musikschule, Studios für Kulturelle Bildung, der Brühler Turnverein, die Kleidertauschbörse, Kahramanlar – Die Brühler Helden, der Brühler Schachklub, der Weltladen, die Feuerwehr und die Buchhandlung Brockmann. Bei diesen Programmpunkten sind auch Jungs herzlich willkommen.
Es ist erstaunlich, was Bettina Fruchtmann auf die Beine gestellt hat – und das ohne Budget. „Die ganzen Veranstaltungen sind nur möglich, weil alle Dozentinnen und Referentinnen ehrenamtlich arbeiten“, sagt sie. Das Thema ist den meisten zu wichtig, um über finanzielle Belange zu feilschen. „Als ich erfahren habe, wie wenig Mittel für die Gleichstellung zur Verfügung gestellt werden, war ich schockiert“, meint die Organisatorin, die am Weltmädchentag auch die Moderation übernimmt.
Angemessene Bezahlung wichtig
Bettina Fruchtmann arbeitet selbst seit zwölf Jahren selbständig in drei Bereichen. Sie ist einerseits versiert in der Konzeption, Regie und Postproduktion von Filmproduktionen. Zum anderen ist sie als Dozentin für Medienproduktionen tätig, hat dabei auch als Community Reporterin gearbeitet und auch Werbung, Workshops und didaktische Konzepte entwickelt. Und schließlich fungiert sie auch als Moderatorin. Gemeinsamer Nenner all ihrer Tätigkeiten ist das Bestreben, einen konstruktiven und produktiven Dialog über gesellschaftlich relevante Themen zu fördern.
„Dass alle mitmachen, ist fantastisch und hat mich sehr berührt. Aber in Zukunft sollte es selbstverständlich sein, dass für den Weltmädchentag auch ein Etat zur Verfügung steht“, hofft Bettina Fruchtmann. „Der Einsatz für die positive Entwicklung unserer Gesellschaft sollte grundsätzlich angemessen bezahlt werden und nicht als angenehme Zusatzleistung von engagierten Bürgern hingenommen werden. Wir können noch viel mehr erreichen, wenn die umfangreiche geleistete Arbeitszeit vergütet wird.“
Sie ist sicher, dass Events wie der Weltmädchentag einen Teil dazu beitragen, dem Ziel der Gleichstellung immer näher zu kommen. „Es ist aber auch ein bisschen enttäuschend, wie wenig Aufmerksamkeit es in den Medien bekommt.“ Zur Vorstellung des Programms, bei der neben dem Bürgermeister auch acht Dozentinnen und Gäste anwesend waren, war genau ein Pressevertreter dabei. Der Autor dieser Zeilen vom Brühler Bilderbogen.
Tobias Gonscherowski