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„Wir wollen den Rechtsextremen nicht das Feld überlassen“

(tg) Immer wieder kam es in Brühl in den letzten Monaten zu Schmierereien, Sachbeschädigungen sowie antisemitische oder homophobe Verunglimpfungen. Ziel der Attacken rechtsextremer Personen oder Gruppen waren und sind etwa die Wegweiser der Seebrücke, die Regenbogenfahne und vor allem immer wieder die Stolpersteine. „Spaziergänger“ und Wutbürger haben auch in Brühl bereits versucht, Kommunalpolitiker und deren Familie einzuschüchtern.

Diesen gefährlichen und demokratiefeindlichen Tendenzen stellen sich viele mutige und aufrechte Brühlerinnen und Brühler entgegen. Sie haben als die Gruppe „Gemeinsam für Brühl“ im vergangenen Jahr die „Brühler Erklärung“ aufgesetzt, die für Solidarität, Respekt und Demokratie eintritt und mit den Worten schließt: „Nur wir alle gemeinsam schützen Brühl als eine solidarische und demokratische Stadt.“ Zu ihnen gehören Sonja Tillmann, Kirsten Stuhlsatz und Karsten Peters. Mit ihnen haben wir gesprochen.

BBB: Was war der ausschlaggebende Grund, warum Sie sich in „Gemeinsam für Brühl“ engagieren?
Sonja Tillmann: Ich habe angefangen mich zu engagieren, als die „Spaziergänger“ aufkamen und für sich reklamierten, die rote Linie zu sein. Es war bedenklich, welche Gesinnungen sich danach gezeigt haben. Für mich kam es nicht in Frage, denen das Feld zu überlassen. Danach haben wir die erste Mahnwache angemeldet und zu einer Institution gemacht, der sich viele angeschlossen haben.

Kirsten Stuhlsatz: Mein Engagement hat seinen Ursprung in der Corona-Zeit durch die Querdenker. Ich gehöre selbst zur Risikogruppe und fand es unerträglich, wie „alternative Fakten“ gestreut wurden. Ich bin deutlich gegen rechts und finde es wichtig, dem etwas entgegenzusetzen. Wir sind jetzt eine gut durchmischte Truppe und setzen uns für den Erhalt und Schutz der Demokratie ein. Ich habe mich auch in der Flüchtlingshilfe engagiert und bin bei der Seebrücke aktiv.
Karsten Peters: Ich möchte die Demokratie und den Rechtsstaat verteidigen. Ich mache mir große Sorgen wegen der rechtsextremen Ausfälle und will andere ermutigen, sich auch gegen rechts zu stellen. Wir sind alle die Gesellschaft, wir leben sie selbst. Es reicht nicht, nur bei einer Wahl seine Stimme abzugeben. Wir müssen uns für die Demokratie einsetzen und sie schützen. Die Spaziergänger und die Wutbürger sind ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen kann. Ich mache mir Sorgen um die nähere Zukunft.

BBB: Was möchte „Gemeinsam für Brühl“ bewirken?


Tillmann: Wir haben die Aktion Gemeinsam für Brühl im Januar 2022 ins Leben gerufen als Gegenbewegung gegen die Querdenker und Spaziergänger. Wir wollten ein Zeichen setzen gegen die antidemokratische Stimmung. Daraus sind viele weitere Aktionen entstanden. Wir haben die wöchentliche Mahnwache initiiert, wir haben für die Frauenrechte im Iran demonstriert. Und wir habenuns an der bundesweiten Aktion „Tag der offenen Gesellschaft“ beteiligt. Wir wollen uns mit vielen Akteuren der Zivilgesellschaft vernetzen. Blasenübergreifend mit einer klaren Abgrenzung gegen rechts.

BBB: Wie war die Resonanz?
Peters: Sehr positiv. Die Mahnwachen waren ein erstaunlich guter Erfolg. Aber wir wurden auch angefeindet. Ich habe den Dialog mit einigen Spaziergängern gesucht. Aber es hat keinen Sinn gemacht. Man ist nicht auf meine Argumente eingegangen, ein Gespräch war nicht möglich. Gesellschaftliche Probleme werden auf die persönliche Ebene verlagert. Der Andere wird abgewertet. Es fehlt eine demokratische Debattenkultur. Wir müssen wieder lernen, miteinander zu streiten, wir müssen miteinander reden und uns für andere Meinungen interessieren wollen. Toleranz hört allerdings da auf, wo Intoleranz anfängt.

BBB: Wie bedenklich ist das rechtsextreme Aggressionspotenzial in Brühl?
Stuhlsatz: Ich habe den Eindruck, dass die Rechten sich eher aus der Deckung trauen und sich in Sicherheit wähnen. Wir sehen das bei den Beschädigungen der Aufsteller der Seebrücke und bei den Schmierereien auf den Stolpersteinen. Das sollte man nicht stehen lassen. Und das sind auch keine Jugendsünden mehr. Der Aufsteller der Seebrücke steht jetzt im margaretaS hinter Glas. Von ursprünglichen fünf Wegweisern ist nur noch einer intakt. Nach nicht einmal 24 Stunden waren die ersten zerstört. Wir von die Seebrücke haben Anzeige erstattet, damit die Vorfälle auch polizeilich aktenkundig werden.

BBB: Was wünschen Sie sich?
Tillmann: Wir wünschen uns eine tolerante, bunte, vielfältige und offene Stadtgesellschaft in dieser liebenswerten Stadt, in der man sich gerne aufhält. Keiner sollte Angst davor haben, wegen seiner Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Sexualität oder politischen Gesinnung angefeindet zu werden. Wir wollen Ansprechpartner und breiter und tiefer in der Gesellschaft verankert sein. Es ist sehr wichtig, im Gespräch zu bleiben. Immer am 9. November – dem Tag der Reichspogromnacht – säubere ich Stolpersteine. Es gibt 71 davon in Brühl, die an ermordete Juden erinnern. Es bleibt immer jemand stehen und fragt mich, was und warum ich das mache. Viele wissen gar nicht, worum es dabei geht. Diese Menschen wollen wir sensibilisieren und erreichen.


Weitere Infos unter https://gemeinsam-fuer-bruehl.de/Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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